Vorwürfe / Antworten

In diesem Diskussionsteil möchte ich Antworten auf all die Vorwürfe geben, die mir in letzter Zeit gemacht worden sind. Ich vermute, dass etliche Menschen das Buch nicht wirklich gelesen haben und nur aufgrund des Titels „Trauscheinlüge?“ über den Inhalt mitdiskutieren. Darum ist es kein Wunder, dass teilweise sehr abstruse Behauptungen in Umlauf sind. Darüber hinaus beruht einiges an Kritik auf Missverständnissen. So wird hartnäckig behauptet, dass in meinem Modell die Ehe durch die Sexualität geschlossen würde, obwohl ich das so nicht schreibe. Ich hoffe, dass ich auf diese Art dazu beitragen kann, dass sich Missverständnisse verringern.

Vorwurf 1: Das Buch ist eine Abrechnung mit der aktuell prägenden Moral und greift deren Vertreter in ungebührlicher Art und Weise an!

Die Worte Abrechnung und Angriff halte ich für falsch gewählt. Ich habe mir große Mühe gegeben, die Meinung der aktuell prägenden Moral wertschätzend darzustellen und respektvoll zu beurteilen. Wenn sich Vertreter der aktuell prägenden Moral allerdings angegriffen fühlen, weil ich ihre Meinung hinterfrage, ist das natürlich ein anderes Thema. Könnte es sein, dass manch ein Pastor nicht gewohnt ist, dass man seine Meinung in Frage stellt? Ich gehe in meinem Buch davon aus, dass jede menschliche Erkenntnis ein Stückwerk ist (1Kor13,9). Aus diesem Grund sollten wir grundsätzlich offen sein, uns und unsere Tradition hinterfragen zu lassen. Wer nicht bereit ist, über seine Position zu diskutieren, der ist sich seiner Sache womöglich gar nicht so sicher, wie es im ersten Moment scheint.

Darüber hinaus hat sich dieses Buch über fast 10 Jahre hinweg entwickelt. Eine Abrechnung wäre aus einer Verletzung heraus entstanden. Aber die Überlegungen in diesem Buch stammen aus einem Ehevorbereitungskurs, den ich als Pastor während meiner Dienstzeit in Österreich geschrieben habe. Über etliche Jahre hinweg habe ich die drei Säulen der Ehe in verschiedenen Hauskreisen in der Schweiz gelehrt. Durch verschiedene Gespräche wurde ich ermutigt, diese Überlegungen als Buch herauszugeben. Die „Trauscheinlüge?“ ist keine Abrechnung, sondern das Produkt von jahrelangem (Bibel-)Studium.

Vorwurf 2: Das Buch macht die Ehe klein, fördert den Ausverkauf der Ehe und zerstört die Familie!

In dieser Behauptung wird deutlich, wie innerhalb der aktuell prägenden Moral gedacht wird: Ehe und Familie hängen in dieser Sichtweise vom standesamtlichen Trauschein ab. Ich empfinde diese Sichtweise verengt. Die Scheidungsrate zeigt deutlich, dass der Trauschein sicher nicht dazu führt, dass eine Ehe stabil bleibt und Familien nicht auseinander gerissen werden. Der Eheschluss auf dem Standesamt ist eine Möglichkeit, eine Ehe rechtlich abzusichern. Aber er ist kein Garant dafür, dass diese Ehe hält.

Wer seine Beziehung nach 1Mo2,24 aufgebaut hat und versucht, sein Leben in der Abhängigkeit mit Gott zu leben, der hat eine gute Chance, dass seine Ehe und Familie Segen erfährt. Dieser Segen ist aber sicher nicht abhängig vom standesamtlichen Trauschein. Am Ende gibt es keine Garantien. Dort, wo zwei Menschen miteinander leben, kann es im Laufe der Zeit mit oder ohne Trauschein zu Situationen kommen, die eine Beziehung zerstören. Ich mache in meinem Buch nicht die Ehe klein, ich löse die gesegnete Beziehung zweier Menschen nur vom standesamtlichen Trauschein.

Vorwurf 3: Das Buch ruft dazu auf, nicht mehr standesamtlich zu heiraten! Es hat einen rein individualistischen Ansatz und ignoriert die öffentliche Bedeutung der Ehe für eine Gesellschaft!

An etlichen Stellen im Buch sage ich, dass der standesamtliche Eheschluss eine gute, rechtliche Absicherung für eine Ehe darstellt. Für die meisten jungen Paare bietet das Standesamt darum die kostengünstigste Möglichkeit, einen Ehe- und Erbvertrag zu bekommen. Darum rate ich den meisten Paaren, früher oder später den standesamtlichen Trauschein in Erwägung zu ziehen. Es gibt aber Situationen, wo das standesamtliche Rechtspaket nicht die beste Option darstellt. Beispielsweise dann, wenn schon Kinder bzw. Vermögen aus früheren Partnerschaften vorhanden sind. Die Sichtweise der aktuell prägenden Moral hat aus dem standesamtlichen Trauschein etwas gemacht, was er nicht ist. Der Trauschein ist nicht Gottes Maßstab für eine gesegnete Ehe! Der Trauschein ist ein staatlicher Ehe- und Erbvertrag, der eine Beziehung absichern kann. Aber genauso, wie ich vor dem Abschluss einer Versicherung die Versicherungsbedingungen prüfe, sollte einem christlichen Paar erlaubt sein, die Bedingungen in einem Ehe- und Erbvertrag zu prüfen. Ich kenne Paare, die aus rationalen Gründen niemals den standesamtlichen Trauschein gewählt hätten, wenn dieser in unseren christlichen Kreisen nicht sakramentalisiert worden wäre. Von der Bibel her gibt es keinen Grund, eine standesamtliche Eheschließung einem notariellen Erb- oder Konkubinatsvertrag vorzuziehen.

In Bezug auf die Öffentlichkeit habe ich gerade in dieser erweiterten Fassung des Buches einiges geschrieben. Der standesamtliche Trauschein kann eine sehr anonyme Angelegenheit sein. Die gesellschaftliche Öffentlichkeit bekommt von einer Beziehung nur dann etwas mit, wenn das Paar seine Beziehung in der Öffentlich bekannt macht und lebt. Dieser Schritt in die Öffentlichkeit ist aber nicht vom Trauschein abhängig. Jede Lebensgemeinschaft kann seine Beziehung vor der Gemeinde segnen lassen und anschließend mit Familie und Freunden feiern gehen. Bilder in den sozialen Medien zeigen sehr deutlich, ob ein Mensch in einer festen Partnerschaft lebt oder nicht

Vorwurf 4: Das Buch ist für die Seelsorge eine Katastrophe! Es ist eine Gefahr für junge Christen!

Ich weiß von Christen, die irgendwann herausgefunden haben, dass sie gemäß des Hochzeitsdatums ihrer Eltern viel zu früh auf die Welt gekommen sind. Es war ein Schock zu erfahren, dass die Eltern offensichtlich selbst Sex vor dem Trauschein gehabt hatten, obwohl sie ihre Kinder im Sinne der aktuell prägenden Moral erzogen haben. Eine andere Rückmeldung hat mich besonders schockiert. Eine Pflegefachperson schrieb mir, dass sie immer wieder Mädchen aus Freikirchen erlebt, die Abtreibungen durchführen lassen. Ist es in manchen Kreisen wirklich leichter, ein Baby zu töten, als zuzugeben, Sex vor dem Trauschein gehabt zu haben?

Immer wieder höre ich von Paaren, die von ihrem Pastor zitiert wurden, weil sie gemeinsam in Urlaub gefahren sind. Anderen Paaren wird die kirchliche Hochzeit verweigert, weil sie schon vor der standesamtlichen Trauung zusammen gezogen waren. Viele Pastoren fordern solche Paare auf, für einige Monate auseinander zu ziehen, bevor eine kirchliche Trauung wieder möglich ist. All das halte ich für eine seelsorgerliche Katastrophe! Ich kann mir nicht erklären, wieso mache Christen meinen, dass die aktuell prägende Moral mit ihrer Fixierung auf den Trauschein die seelsorgerlich bessere Alternative ist?

Es wird immer solche Menschen geben, die ihre Grenzen überschreiten und Dinge tun, die sie später bereuen. Das ist bei der aktuell prägenden Moral nicht anders als bei dem Modell, dass ich in diesem Buch vorschlage. Seelsorge und Begleitung wird es also immer brauchen. Die Frage ist, welches Modell logischer, lebbarer und biblischer ist. Für mich persönlich ist die Antwort: Das Modell der drei Säulen aus 1Mo2,24!

Vorwurf 5: Das Buch vertritt einen humanistischen Ansatz!

Mit Humanismus wird eine Denkweise bezeichnet, bei der man Menschen zutraut, eigenverantwortlich für ihr eigenes Wohl entscheiden zu können. Für manche Christen ist „Humanismus“ ein Reizwort, weil einige bekannte Humanisten Atheisten waren und die Sündhaftigkeit des Menschen verneint haben. Aber nichts desto trotz sind viele Ansätze, die aus dem Humanismus entstanden sind, gute Ansätze. Unser heutiges Freiheitsverständnis, unser Bildungs- und Sozialsystem sähe vollkommen anders aus, wenn es keine Aufklärung und die vielen Strömungen des Humanismus gegeben hätte. Ich plädiere in meinem Buch dafür, dass Paare eigenverantwortlich entscheiden sollten, wie sie ihre Beziehung aufbauen und leben wollen. Von der Bibel her glaube ich zu sehen, dass Gott uns Menschen diese Freiheit gegeben hat. In diesem Sinne vertrete ich in meinem Buch tatsächlich einen humanistischen Ansatz! Da ich aber ebenso davon ausgehe, dass jeder Mensch ein Sünder ist, glaube ich auch, dass eine Beziehung am besten unter der Führung Gottes gelingt. Vielleicht wäre es darum besser zu sagen, dass ich einen christlich-humanistischen Ansatz in meinem Buch vertrete.

Vorwurf 6: Das Buch ist für Menschen ausserhalb der Kirchen nicht geeignet!

Das stimmt! Das Buch behandelt eine Frage, die Menschen ausserhalb unserer Freikirchen in der Regel nicht interessiert.

Vorwurf 7: Das Buch entgeistlicht die Ehe, weil es die kirchliche Hochzeit nicht fördert!

In meinem Buch geht es tatsächlich kaum um die kirchliche Hochzeit. Ich bespreche diesen Punkt nur im Zusammenhang mit dem Prinzip der Öffentlichkeit. Der Grund dafür ist folgender: Die wenigsten Vertreter der aktuell prägenden Moral schreiben in ihren Veröffentlichungen, dass eine gesegnete Ehe vor Gott bei der kirchlichen Hochzeit anfängt. In der Regel geht man in der aktuell prägenden Moral davon aus, dass eine gesegnete Ehe auf dem Standesamt beginnt! Ich persönlich denke, dass eine gesegnete Ehe vor Gott WEDER auf dem Standesamt NOCH in der Kirche beginnt. Ich plädiere dafür, dass eine gesegnete Ehe vor Gott dort beginnt, wo ein Paar überein kommt, alle drei Säulen nach 1Mo2,24 miteinander leben zu wollen.

Anschließend sollte sich ein Paar dann überlegen, wie es seine Beziehung absichern möchten (Prinzip der Absicherung). Desweitern sollte ein Paar darüber sprechen, wie es seine Beziehung öffentlich leben will (Prinzip der Öffentlichkeit). Ich schreibe von diesen Prinzipien bewusst nüchtern. Denn von der Bibel her gibt es keinen Grund, dass Prinzip der Absicherung und das Prinzip der Öffentlichkeit zu vergeistlichen. Erst durch die Entstehung des Ehesakraments im Mittelalter ist es zu einer vergeistlichten Sicht auf die Ehe gekommen. Wir sollten uns überlegen, in wie weit wir uns von dieser katholischen Prägung beeinflussen lassen wollen. Mir persönlich ist die Sicht von Martin Luther wesentlich einleuchtender. Als bewussten Schritt gegen das Ehesakrament bezeichnete er die Ehe als „weltliches Ding“. Für Luther war die Ehe keine geistliche Sache, sondern ein Ding dieser Welt, über das man nüchtern und sachlich sprechen und nachdenken kann.

Vorwurf 8: Das Buch ignoriert, dass Gott Ehen stiftet und zwei Menschen zusammenführt!

Tatsächlich schreibe ich in meinem Buch nicht viel darüber, wie zwei Menschen zusammen finden können. Das liegt vor allem daran, weil es im Buch nicht um diese Frage geh

Vorwurf 9: Das Buch enthält Fehler und Irrlehre!

Es ist natürlich immer möglich, dass sich Fehler einschleichen oder man Erkenntnisse im Laufe der Zeit revidiert. Die Hauptargumentation in meinem Buch sollte aber stimmen. Ich habe viele Jahre über meine Thesen nachgedacht, viel gelesen und natürlich auch ausführlich vor Gott geprüft.

Vorwurf 10: Die Bibelstellen im Buch werden einseitig im Sinne des Autors ausgelegt!

Ich bin der Meinung, dass die Bibel keine große Unterstützung für die Sichtweise der aktuell prägenden Moral bietet. Das möchte ich im Buch „Trauscheinlüge?“ zeigen. Viele Vertreter der aktuell prägenden Moral sehen das natürlich anders. Sie legen dieselben Bibelstellen im Sinne ihrer Sicht aus. Jeder Leser hat die Eigenverantwortung, die unterschiedlichen Sichtweisen zu prüfen und sich seine persönliche Meinung zu bilden.